Nun wird das finale POSTULAT zur Fallstruktur einer autonom ‚etablierten‘ Schülerin durch die Ausweitung der Studie validiert. Diese Ausweitung zwecks Validierung erfolgt erstens durch die Erweiterung des Theoriehorizonts durch Exkurs 4: Die Kraft der Schriftsprache im Erkenntnisprozess und zweitens durch die Analyse von zwei weiteren Reflexionsblättern, nämlich der Blätter ‚Lui‘ und ‚Dromeda‘.
Ersteres (der Exkurs 4) dient der theoretischen Darlegung der strukturstiftenden Wirkung der Schriftsprache im Erkenntnisprozess im Allgemeinen, was auch von Interesse für den Entwicklungsprozess eines Kindes in den ersten Schuljahren sein müsste. Diese Erweiterung des Theoriehorizonts der Studie dient auch der Vertiefung jener epistemischen Grundlagen, die mit der Rätselhaftigkeit der Reflexionsblätter Ernaszusammenhängen dürften. Erna hat ja die Schwelle zur Schriftsprache gerade erst (in der mehrjährigen Phase vor und während ihres Schuleintrittes) überschritten. Diese Übergangsphase wird daran deutlich, dass sie in ihren Reflexionsblättern laufend schriftsprachliche mit anderen Ausdrucksformen (vor allem Zeichnung und Farbe) mischt. Somit wird auch an die epistemischen Erklärungsansätze für die rätselhafte Dynamik in allen Reflexionsblättern angeknüpft.
Zweiteres – die Ausweitung der Blattanalysen auf die Blätter 22.1.2014: ‚Lui‘ und 6.5.2013: ‚Dromeda‘ – dient der genaueren Erforschung der postulierten Fallstruktur, die bereits als Lösung des Falls ausgewiesen wird. Die Bezeichnung ‚Fallstruktur‘ ist vor allem dann angemessen, wenn sie als nachhaltig nachgewiesen wird, also empirisch von einer gewissen Dauer und Stabilität ist, und im Fallfokus liegt. Entsprechende Relativierungen sind im finalen Postulat selbst angemerkt. Die Analyse von weiteren Blättern aus der Kompetenzmappe Ernas dient also vor allem der empirischen aber auch theoretischen Validierung der herausgearbeiteten Fallstruktur einer autonom ‚etablierten‘ Schülerin, wodurch auch die im finalen Postulat angesprochenen Relativierungen ausgeräumt werden.
In der Analyse von Blatt 22.1.2014: ‚Lui‘ (siehe auch Kapitel 5.2) erfolgt die ausdrückliche Anwendung der Ausführungen des Exkurses 4 zur Schriftsprache durch einen neuerlichen Einblick in das Datenmaterial, und zwar zuerst in das Präsentationsgespräch zum medial gemischten Blatt 22.1.2014: ‚Lui‘, das die Entstehung eines Werkstückes reflektiert (Abb. 25):
Dabei erfolgt eine Diskussion zur Authentizität der Beschriftung dieser Werkzeichnung. Es handelt sich um eine Diskussion von kritischen Einwänden, die im Rahmen von Interpretationswerkstätten geführt wurden. Vor allem an der Formulierung „Ich bin stolz“ hatte sich die Diskussion zu Authentizität entzündet. Diese Diskussion wird im RESÜMEE zum Reflexionsblatt 22.1.2014: ‚Lui‘ mit Verweisen auf die Fakten des Datenmaterials erhärtet und gleichsam ‚entschieden‘. Aber dann anhand der Diskussion Fokussierung auf Kooperation auch die damit verbundene Diskussion zu Autonomie, Authentizität und Kooperation vorläufig abgeschlossen. Vorläufig deswegen, weil die Diskussion zu Kooperation anhand eines Blattausschnitts zu – in der Arbeits- oder Projektgruppe von Schülerinnen – erlebter Kooperation anhand eines weiteren Blattes umgehend wieder aufgenommen wird.
Schließlich wird die Darstellung einer Pose zu ‚Kooperation‘ rekonstruiert. Diese Analyse erfolgt an dem Bildausschnitt ‚Vier Referentinnen‘ (Abb. 26) im spät entdeckten, aber relativ frühen, nämlich Ende des ersten Schuljahres entstandenen, Reflexionsblatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘ (Abb. 27). Im Fokus steht dabei zunächst die Rekonstruktion von Authentizität und Reflexivität (als Grundlage für und Ergebnis von Autonomie), die – so lauten die kritischen Bedenken – von rollenhaft erwarteter Kooperation beschädigt werden könnten. Auch diese Diskussion wird am Material überprüft.
Dabei wird vor dem Hintergrund der Ausführungen in Exkurs 4 eine Besonderheit von relativ früh in der Schullaufbahn erstellten Reflexionsblättern entdeckt: Halb gezeichnete – halb geschriebene Propositionen.
Dann wird eine Pose deutlicher Mehrdeutigkeit genauer betrachtet.
Sodann wird letztmalig ein RESÜMEE zur Rekonstruktion eines einzelnen Reflexionsblattes erstellt, diesmal fokussiert auf mehrdeutige Bilder und Posen im Kontrast zu eindeutigen Das-ist-Benennungen.
Dann ist der beschrittene Forschungsprozess, der überraschend früh zu einem Ergebnis kam, reif für den dritten und zusammenfassenden Teil der Conclusio. Die Einschätzung ‚früh‘ bezieht sich hier darauf, dass ja die untersuchte Sammlung von chronologisch geordneten Reflexionsblättern sich über vier Jahre erstreckt, aber nur die Blätter der ersten eineinhalb Jahre genauer ausgewertet wurden.
(Weiter zu: Blatt 22.1.2014: ‚Lui‘)