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Die Szene der Dreiergruppe – Eine Einheit mit großen Unterschieden

(Davor: (Tief-)schwarze Linien und Darstellungselemente auf Rot: Suggestion?)


Zur Dreiergruppe zähle ich das Pferd, die Reiterin und die Pferdeführerin. Diese Gruppe ist rechts der Mitte (des Blattes) platziert. Die Drei dürften sowohl Einzeln als auch als Einheit – die viele Unterschiede, rätselhafte Details, Harmonie und Gegensätze birgt – für die weitere Analyse sehr aufschlussreich sein. Diese Dreiergruppe wirkt auf mich schon auf den ersten Blick ausdrucksstark, eingespielt und verbunden. Gleichzeitig ‚wundert‘ mich einiges, das ich erst nach und nach in Worte fassen kann:

  • Diese Gruppe weist große Unterschiede auf: Mensch – Tier; Groß – Klein; Schülerin – Lehrerin; Rollenhaftes – Familiäres. Hinzu kommt, dass einiges bloß angedeutetin Schwebe belassen – erscheint, etwa, was die Blicke ‚aus‘ dem Bild – zu den Zuseher*innen bedeuten.
  • Das Pferd, in feierlichem Schwarz ausgeführt, stolz schreitend, mit erhobenem Haupt, gibt der Gruppe besondere Würde und auch rhythmische Dynamik. – Die gezeichnete Ausführung des Pferdes wirkt allerdings beinahe gekritzelt.
  • Gleichzeitig ist diese etwas unbeholfen dargestellte Gestalt des Reittieres mit Reiterin, also die Zweiergruppe, ein starkes Statement: Die Person auf dem Pferd, aber auch das schreitende Pferd selbst, wirken zusammen als eine erhabene – doch auch spielerische – Pose.
  • Die Reiterin sitzt zwar anscheinend fest bzw. ‚tief‘ und konzentriert im Sattel – doch gleichzeitig wirkt sie auch ausgelassen, wenn man die fliegenden Zöpfe und die zurückgelehnte Körperhaltung sowie den Ausdruck des leicht schief gehaltenen Kopfes und des Gesichts, mit einem breiten, etwas schiefen Lachen, in Betracht zieht. Das reitende Mädchen strahlt auch ‚gut aufgehoben‘ und geborgen und voller Zuversicht. – Dies, obzwar zu reiten viele Herausforderungen und Gefahren birgt.
  • Die Reitlehrerin spiegelt den lachenden Gesichtsausdruck des Mädchens wieder (oder umgekehrt das Mädchen jenen der Reitlehrerin). Dadurch gerät auch die nur auf den ersten Blick eindeutige Rollenverteilung (Lehrerin – Schülerin) ins Wanken, weicht einer familiären Resonanz und Verbundenheit. Gegenüber einem rollenhaften Schema – das in der Szene der Dreiergruppe auch steckt –, treten also Vertrauen und Verbundenheit, Spiel und Freude hervor.
  • Die Longe verdient besondere Beachtung. Sie ist mit einem breiten, geraden Strich ausgeführt, der – vor allem zur Hand der Reitlehrerin – deutlich gebogen ist, während die führende Hand nur mit zwei gekreuzten dünnen Strichen angedeutet ist. Die Biegung der Longe scheint dem Pferd einen Führungsimpuls – im Kreis zu schreiten – weiter zu geben. Auch beim Reittier scheint die Longe einen Bogen anzudeuten (und vielleicht um den Hals herum bis in die Schleife der Zügel zu reichen).

(Weiter zu: Zur Dynamik dieses Bildes)