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Frühe Arbeit – Späte Aufmerksamkeit für diesen ‚Schatz‘

Blatt 01.10.2012: Reiten, wird zu den ‚frühen‘ Blättern gezählt, denn es ist kaum drei Wochen nach Schulbeginn erstellt bzw. datiert. Für das Verstehen der Entwicklungs- oder der Bildungsgeschichte eines Kindes in der Schule anhand seiner Arbeiten und Werke sind frühe und naturwüchsige Äußerungen von besonderem Aussagewert.

Während der überwiegende Teil der Blätter Ernas auch in – von der Schulleiterin – kommentierter Form vorliegt (siehe Kapitel 3), gilt das für Blatt 01.10.2012: Reiten, nicht. Es wurde nämlich in der Präsentation der Kompetenzmappe gar nicht erwähnt. Somit war auch für mich als Forscher ein weitgehend unbefangener Zugang zu diesem Blatt begünstigt. Denn bis auf eine weitere Ausnahme (Blatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘) wurden mir ja in einem Präsentationsgespräch alle anderen Blätter mit dem Insiderwissen der Schulleiterin, die das Mädchen Erna an allen Schultagen über vier Jahre zumindest flüchtig gesehen haben dürfte, präsentiert.

Unbekannter Kontext…

Aus so einem professionellen Naheverhältnis erwächst Autorität, von der zu lösen für mich als Forscher gar nicht einfach war, zumal ich überdies Maria T. aus verschiedenen Projektkooperationen kannte und schätzte (siehe Kapitel 1.6 sowie 3.1). Dieses Blatt 01.10.2012 (Reiten) gehört also zu jenen zwei Blättern, die zusätzlich zu den zwanzig präsentierten Blättern in die Dokumentation ‚Kompetenzmappe‘ (siehe Bildanhang: 20 Blätter) hinzugenommen worden sind, und somit einen unwissenden forschenden Zugang begünstigte.

… begünstigt kontextfreie Interpretation

Mir, dem Forscher, ist dieses Blatt 01.10.2012: Reiten (Abb. 8) erst spät im Fortschritt der Studie aufgefallen. Ich hatte bei einem der seltenen Nachgespräche zum initialen Präsentationsgespräch mit der Schulleiterin Maria T. (siehe Kapitel 3) in der Kompetenzmappe Ernas geblättert – und dabei auch nicht präsentierte Blätter betrachtet – und dann rasch mit dem Handy einige Fotos davon gemacht. Diese Fotos kamen zunächst zum Datenmaterial am Rande der Studie bzw. des initialen Präsentationsgesprächs als Vorrat, noch ohne spezifische Absicht. Aber aus einer Gesamtsicht auf den Forschungsprozess sehe ich eine besondere Chance gerade darin, eines dieser nicht bereitspädagogisch begründeten bzw. kommentierten Blätter einer eingehenden, methodisch exemplarischenAnalyse zu unterziehen und hier zur Darstellung zu bringen.

Dieser Umstand, dass nur wenige Kontextinformationen zu diesem Blatt vorliegen, begünstig nun eine wissenschaftlich distanzierte, möglichst kontextfreie Rekonstruktion  der eigenständigen, also werkimmanenten Aussage des Blattes (vgl. Oevermann 1997).


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