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Übergang zu vertiefender Analyse

(Davor: Überprüfungs-Blatt 25.11.2013: ‚Im Hunderter kenne ich mich aus‘)


Vom praktischen Fallverstehen zur wissenschaftlichen Sequenzanalyse von Blatt 18.10.2013: ‚Land Des Rechnens‘

Die Darlegung des initialen Präsentationsgesprächs ist hier bei Blatt 18.10.2013: ‚Land Des Rechnens‘ an einem pädagogisch konzeptionellen Höhepunkt und einem bildungsbiografischen Wendepunkt angelangt. Zwar ist bislang erst ein Drittel dieser per Video aufgezeichneten und hinsichtlich der Audio-Spur und einzelner Blätter aufbereiteten Präsentation dargelegt. Aber dies sollte vorerst ausreichen, um einen kompakten Einblick

  • in die pädagogische Konzeption undderen Umsetzung in Form von Reflexionsblättern vermittelt zu haben (siehe auch das Transkript des gesamten Gesprächs im Anhang).
  • Darüber hinaus wurde gezeigt, wie die Schulleiterin diese Reflexionsblätter interpretierend wahrnimmt, und welche pädagogischen Schlüsse sie daraus zieht.
  • Schließlich wurde die Präsentation gesteigert zu (Elementen) einer Erzählung der Bildungsbiografie Ernas.

Im Transkript des initialen Präsentationsgesprächs stand der Modus des pädagogischen Fallverstehens (Maria T.s) im Vordergrund. Das sollte wesentlich dazu beigetragen haben, die Rahmenbedingungen für das naturwüchsige Fallverstehen eines Kindes (Erna) – ausgedrückt in Zeichnungen und ‚Reflexionsblättern‘ – in der Phase seines Schuleintritts besser zu verstehen.

Im Folgenden rückt wieder die wissenschaftliche Rekonstruktion des von Erna selbst reflektierten und zur Darstellung gebrachten Bildungsprozesses in den Vordergrund.

Gemäß dem Anspruch der Objektiven Hermeneutik, sowohl das naturwüchsige als auch das naturwüchsig professionelle (pädagogische) Fallverstehen der Praxis im analytischen Paradigma von ‚Krise und Routine‘ lediglich wissenschaftlich zu explizieren (siehe Kapitel 1.8 sowie 6.8), müssten in der folgenden Explikation von Blatt 18.10.2013(‚Land Des Rechnens‘) beide Modi naturwüchsigen Fallverstehens (sofern sie im Blatt tatsächlich zum Ausdruck gebracht sind) entsprechend plausibel ausgeführt werden können.

‚Explikation‘ – ‚Rekonstruktion‘ – ‚Erschließung‘ – ‚(Re‑)Konstruktion‘

Einige Bemerkungen zu den Begriffen ‚Explikation‘ und ‚Rekonstruktion‘sowie weiterer Synonyme in entsprechenden Kontexten:

  • Im Kontext der drei Modi des Fallverstehens (siehe Kapitel 1.8) erscheint es naheliegend, von ‚Explikation‘ zu sprechen, denn dabei wird betont, dass im wissenschaftlichen Modus des Fallverstehens die beiden anderen Modi ‚nur‘ expliziert werden.
  • Im allgemeinen Kontext von Wissenschaft und deren Methoden erscheint es angebracht, von ‚Rekonstruktion‘zu sprechen, insofern regelhafte Zusammenhänge (im Fokus entsprechender Fragestellungen) freigelegt werden (siehe auch Kapitel 6.9 und 6.10).
  • Im Kontext der hier angewandten Methodik ist die vollständige Bezeichnung ‚objektiv-hermeneutische Rekonstruktion‘ noch präziser, insofern die besagten regelhaften Zusammenhänge sequenzanalytisch auf ‚objektiv‘ und ‚latent‘ wirkende ‚Parameter‘ zurückgeführt werden, und zwar einen Möglichkeitsparameter I und einen Fallstrukturparameter II (Kapitel 6.9.3).
  • Im Alltags-Kontext wiederum dient beispielsweise jeder Unfallbericht auf einem entsprechend standardisierten Formblatt der späteren ‚Rekonstruktion‘ dessen, was da passiert ist. Diese Rekonstruktionen nehmen dann meist Sachverständige soweit vor, dass das Unfallereignis als Fall für die jeweiligen Versicherungsansprüche als geklärt gelten kann. Manchmal (etwa bei Nichteinigung oder gravierenden Rechtsverletzungen) ist vor Gericht eine weitergehende Rekonstruktion, allenfalls auch in erweiterten Kontexten (wie des Strafrechts oder aber komplexer Regressansprüche nach anderen Rechtsgebieten) notwendig.
  • Im Kontext der Objektiven Hermeneutik wird oft von ‚Erschließen‘ (synonym für ‚Rekonstruktion‘) gesprochen (siehe auch Kapitel 6.3.2 und 6.6). Dieses Prozess-Wort weist auf die Ergebnis-Seite der Verfahren der Rekonstruktion oder der Explikation hin. Die typische wie anspruchsvolle Denkfigur dabei ist, dass jene objektiv wirkenden (und als solche auch nachweisbaren) ‚latenten Sinn- und Bedeutungsstrukturen‘ erschlossen werden können, die zur ‚Konstitution‘ einer bestimmten ‚Ausdrucksgestalt‘ geführt haben. Die Logik der so verstandenen ‚Erschließung‘ ist einerseits eine ‚Logik der Entdeckung‘ (siehe Kapitel 1.1.4), und andererseits eine Erklärung dessen, wie das Entdeckte in Strukturen gegründet ist. ‚Erschließen‘ wird oft zur Bezeichnung eines methodischen Umwegs zu nicht offensichtlichen Sachverhalten verwendet (Kapitel 5.3 sowie 6.9).
  • Die Betonung von ‚Entdeckung‘ ist dabei durch das analytische (analytisch im Unterschied zu praktisch) Paradigma von ‚Krise‘ und ‚Routine‘ inspiriert, insofern in diesem Verständnis (von ‚Lebenspraxis‘) ‚Krisen‘ als Nichtverfügbarkeit entsprechender ‚Routinen‘ definiert werden, also ‚Neues‘ gewagt werden muss. Erst durch reflexive Prüfung kann – und muss – geklärt werden, ob die ‚Krisenlösung‘ sich bewährt, und das handelnde und reflektierende Subjekt (allgemeiner diese Lebenspraxis) sich in seiner (bzw. ihrer) ‚Autonomie‘ bewusst wird (Kapitel 6.7, insbesondere 6.7.2).

Die hier hervorgehobenen Begriffe sind an mehreren Stellen, vor allem aber im Glossar, Kapitel 6, dort als methodologisch zusammenhängende Begriffe, ausgeführt.

Im Kontext von intuitivem und narrativem Verstehen wird weiter unten von ‚(Re‑)Konstruktion‘ gesprochen werden (siehe Kapitel 4.8). Da wird eine einfühlsame, aber in Teilen konstruierte Geschichte als umfassende Lesart des Blattes erfunden, wie es sich – gestützt auf etliche Tatsachen und bereits rekonstruierte Regeln – zugetragen haben könnte. Manches ist frei erfunden, also konstruiert. Zwar wirken diese (frei erfundenen) Neu-Konstruktionen oft wie ein ‚bloßes‘ und zweckfreies Spiel. Aber der methodische Zweck der spielerischen und intuitiven Interpretationen besteht darin, die (latenten) Regeln zu entdecken, nach denen dieses Spiel abläuft, und somit zur Erklärung der untersuchten ‚Ausdrucksgestalten‘ einer ‚Lebenspraxis‘ beizutragen.


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