(Davor: Der Suggestion und Mehrdeutigkeit einer Pose folgend)
In Abbildung 13 wird eine möglichst diskrete Segmentierung dadurch vollzogen, dass das bereits zuvor für sich gestellte, kleinere linke Bildsegment, etwas vom größeren Bildsegment abgerückt wird, sodass im Nebeneinander der beiden Segmente das Bildganze dominant zur Geltung gelangt.

Mit dieser Segmentierung des Bildganzen bezwecke ich, sowohl die Divergenz der beiden Segmente zu thematisieren, als auch das Bildganze in seiner Polarität nach der (Detail‑)Betrachtung der Pose wieder stärker wirken zu lassen.
Polarität im Bild
Aus folgenden Gründen betrachte ich dabei die Vierergruppe – obwohl sie weit an den Rand gerückt ist – als gewichtigen Gegenpol vor allem zum Haus (aber auch zum Untergrund):
- Gewicht verleiht dieser Gruppe, die von allen Interpret*innen als ‚Familie‘ bezeichnet wird (siehe die Lesarten bzw. Geschichten weiter unten in Kapitel 2.4.8), dass sie anscheinend mit besonderer Sorgfalt, Ruhe und interner Harmonie ausgeführt ist.
- Demgegenüber erscheint das Haus um einiges grober, unruhiger, ja gereizt und machtvoll, zur Darstellung gebracht. Das dürfte darauf beruhen, dass die horizontale Achse seiner Fenster zur Vier-Personen-Gruppe hin ausgerichtet, also nicht mit der Dachkante parallel gehalten ist. Das wirkt dann so, als ob das (hohe) Haus streng und von oben herab auf diese Gruppe blickt. Dies, obwohl die Gruppe betont freundlich dreinschaut; allerdings aus dem Bild ‚heraus‘ zu Betrachter*innen schaut, also nicht die vermeintlichen Blicke des Hauses (und seiner Fenster) erwidert. Der strenge und abweisende Charakter des Hauses wird durch scharfkantige Konturen des Gebäudes, das sich leicht nach rechts (weg von der Gruppe) neigt, unterstrichen.
- Der Untergrund, bestehend aus gewölbten, teils wilden, hastig hingeworfenen, grünen Strichen, verstärkt jene Unruhe, die von rechts nach links zur Vier-Personen-Gruppe hin wirkt. Der Untergrund unter dem gelben Weg, auf dem die Gruppe geht (oder steht oder posiert) wirkt besonders unruhig. Die grünen Striche verdichten sich dort. Diese Striche wirken – in kleinen Kurven oder Winkeln – abgestoppt.
- Auch gegenüber der Unruhe des Untergrundes wirkt die Gruppe als ruhiger und harmonischer Gegenpol. Diese Wirkung kommt zustande, obwohl die Vier-Personen-Gruppe selbst auch (intern) voller Unterschiede zu sein scheint, nämlich: groß – klein; Mann – Frau; Erwachsene – Kinder; aktiv – passiv; eigenständig – unselbständig.
Diese knappe Charakteristik des Bildganzen und auffälliger Divergenzen zwischen den beiden Bildsegmenten mag ziemlich subjektiv – ja Partei ergreifend – erscheinen, was ich bereits bei der Auseinandersetzung mit der ‚Pose‘ der Vier-Personen-Gruppe kurz angesprochen habe.
Forschen an Themen, die berühren
Nun, in der Besprechung dieser, bereits als ‚divergente‘ bzw. ‚sehr verschiedene‘ Segmente des Bildganzen ausgewiesenen Abbildung 13, möchte ich meine ‚Positionalität‘ noch einmal (siehe auch Kapitel 1.1.5) thematisieren, und nach Möglichkeit mit wissenschaftlicher Distanz, Methodik und Theorie austarieren. Obwohl ich gerade persönlich (in der ersten Person) argumentiere, soll es dabei nicht um mich, sondern um die Sache, also das Bild, seine Aussage, seine Fallstruktur in Bezug auf die Fragestellungen der Studie gehen. Aber auch der Stellenwert der Thematik Familie und Schule scheint einigermaßen heikel. Als Forscher, ehemals Lehrer, dann in der zentralen Verwaltung und Steuerung des Schulwesens tätig, ehemals Vater von Kindern in der Schule und nicht zu vergessen, viele Jahre war ich selbst Schüler, zeigt sich, wie viele Involviertheiten, bei persönlichen Interpretationen mitschwingen können. Das ausdrückliche Bemühen um methodische, methodologische und theoretische Distanz und Fundiertheit, ist also auch meinen Vorerfahrungen geschuldet.
(Weiter zu: Ein kleines Segment als Schlüsselstelle? – Und eine ‚stille Annahme‘ dazu)