Fallrekonstruktion.net

Der Suggestion und Mehrdeutigkeit einer Pose folgend

(Davor: Benennung der Darstellungselemente von BLATT 24.09[.2012]: Familie)


Das linke Bildsegment (Abb. 12) für sich zu zeigen, folgt bereits der Suggestion, die aus der Vier-Personen-Gruppe ‚spricht‘, die im Zentrum dieses Bildsegments – nicht aber des gesamten Bildes – positioniert ist, und nun noch stärker zur Geltung gelangt. Anhand dieses Bildsegments soll also der wahrgenommenen Suggestion, die von der Pose dieser Vier-Personen-Gruppe auszugehen scheint, nachgespürt werden. Dadurch, dass dieses Segment für sich gezeigt wird, scheinen die vier Personen noch eindringlicher dem oder der Bildbetrachter*in zugewandt. Als Betrachter wie auch als Forscher lasse ich mich ein in die wahrgenommene Suggestion, Mehrdeutigkeit und Rätselhaftigkeit. Ich fühle mich hingezogen und einbezogen, speziell durch dieses Bildsegment (Abb. 12).

Abbildung 12: Linkes Bildsegment aus Blatt 24.09[.2012]: Familie

Es bietet sich an, diese Pose genauer (deutend) zu beschreiben, bevor zu einer tiefergehenden Rekonstruktion übergegangen wird:

  • Man könnte die Pose der Gruppe als bloße Pose, mit der etwas überzeichnet wird, auffassen; oder aber als So-tun-als-ob betrachten, das wiederum könnte als übertrieben oder auch als vorgetäuscht erscheinen. Schließlich könnte man die Pose als aufgesetzte Pose deuten.
  • Und schließlich könnte man das Posenhaftedieser Gruppe auch als bewusste oder aber unbewusste (latente) Aussage interpretieren, indem die Gruppe im Gehen noch etwas Zweites zum Ausdruck bringt, denn zum gut abgestimmten Gehen (oder Im-Gehen-Innehalten) wird auch noch eine demonstrativ freundliche Haltung der (Zu-)Wendung zu im Bild nicht sichtbaren Betrachter*innen eingenommen.
  • Die deutlichen Lachmünder und gestikulierenden Hände bekommen noch eine etwas andere Bedeutung, wenn man sie zur Ausgesetztheit des Weges in Beziehung setzt – dramatisch ausgedrückt: Lächeln am Rande des Abgrunds, oder auch: Lächelnd ins Ungewisse. Eine andere Möglichkeit wäre, Stolz im Lächeln zu ahnen, nämlich einen ausgesetzten Weg mutig zu beschreiten, und eine Herausforderung gemeinsam zu bewältigen.
  • Als ausgesetzt könnte man den Weg betrachten, wenn man in Erwägung zieht, dass er nicht nur aus dem Bild hinaus, sondern auch nach unten in ungewisses Terrain führt. Die unter oder neben dem Weg sichtbaren grünen Striche erscheinen wild und unruhig. In Relation zum Balanceakt, den die vorangehende Person auszudrücken scheint, erscheint der Weg unsicher oder prekär.
  • Der Impuls, das in der Zeichnung Begonnene und suggestiv Angedeutete aufzugreifen und sprachlich weiter auszumalen, scheint in vielfacher Weise im betrachteten Bild selbst begründet. Angesichts der vor Augen geführten Mehrdeutigkeiten möchte ich am Deutungsprozess mitwirken. Das Bild suggeriert anscheinend auch die Selbstverständlichkeit, dass kooperativ gedeutet wird, wie das in Familien oder sonstigen kleinen (familienähnlichen) Sozialverbänden üblich ist, zumindest solange relativ kleine Kinder dazu herausfordern (vgl. Garz & Raven 2015, S. 66-71).
  • Allerdings sind die gerade angestellten Überlegungen vor allem aus der – für sich gestellten – Betrachtung des linken Bildabschnitts entstanden. Diesen linken Bildabschnitt für sich zu betrachten, hat mich vor allem die sehr detaillierte Darstellung der Vier-Personen-Gruppe, aber auch die auffällig sorgfältige Ausführung des Weges eingeladen. Dieser – ausgewiesen einseitigen – Betrachtung (sie bezog sich nur auf das linke Bildsegment) wird in der folgenden Abbildung 13 das fehlende, größere rechte Segment – mit etwas Abstand – hinzugefügt, um auf eine kaum zu übersehende Spannung im Bild hinzuweisen, und dieser Spannung weiter nachzugehen.

(Weiter zu: Das Bildganze – Zwei sehr verschiedene Bildsegmente)