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Drei Methodenschritte strukturieren diese fokussierte Rekonstruktion

(Davor: Ein kleines Segment als Schlüsselstelle? – Und eine ‚stille Annahme‘ dazu)


Methodisch beachte ich die folgende Vorgangsweise:

Die Rekonstruktion der objektiven Bedeutungsstruktur einer konkreten Äußerung beginnen wir im Rahmen der objektiven Hermeneutik damit, dass wir [1] zunächst Geschichten über möglichst vielfältige, kontrastierende Situationen erzählen, die konsistent zu einer Äußerung passen, ihre Geltungsbedingungen pragmatisch erfüllen. Im nächsten Schritt [2] werden diese Geschichten, die implizite gedankenexperimentelle Konstruktionen darstellen, explizit auf ihre gemeinsamen Struktureigenschaften hin verallgemeinert, die in ihnen zum Ausdruck kommen, und im dritten Schritt [3] werden die allgemeinen Struktureigenschaften mit den konkreten Kontextbedingungen verglichen, in denen die analysierte Äußerung gefallen ist (Oevermann 1983, S. 236f. [Nummerierung in eckigen Klammern hinzugefügt, R.S.]).

Die eingeholten Geschichten bilden – methodisch betrachtet – den Schritt [1] zur „Rekonstruktionder objektiven Bedeutungsstruktur einer konkreten Äußerung“. Diese Geschichten sollen sich einerseits auf die Kenntnis des gesamten Blattes (Abb. 11) beziehen, und andererseits die Merkwürdigkeit, „eine winkt nicht“, erhellen. Die Vergrößerung der Vier-Personen-Gruppe (Abb. 14) illustriert und unterstreicht die spezifische Fokussierung.

In Schritt [2] wird – trotz unterschiedlicher, erfundener Kontexte – nach Gemeinsamkeiten gesucht, die die Plausibilität der Geschichten verständlich machen, also ihre „Geltungsbedingungen pragmatisch erfüllen“. „Gemeinsame Struktureigenschaften“ sollen „verallgemeinert“ werden.

In Methodenschritt [3] kommt es zu einer Überprüfung der Strukturerkenntnisse an den „konkreten Kontextbedingungen“ (im Unterschied zu den erfundenen) des Datenmaterials.

In der Abfolge der drei Methodenschritte soll also die Rekonstruktion der „objektiven Bedeutungsstruktur“ insoweit gelingen, dass eine Gemeinsamkeit in den Lesarten zur (Merkwürdigkeit der) Szene der Vier-Personen-Gruppe im untersuchten Datenmaterial herausgearbeitet werden kann. Diese Gemeinsamkeit müsste also eine faktisch wirkende Struktur sein, die dazu beiträgt, dass wir die sehr unterschiedlichen Geschichten – wegen ihres Bezuges auf die, diesen Geschichten gemeinsame und uns allen vertraute Struktur – plausibel finden (vgl. „pragmatische Erfüllungsbedingungen“ Garz & Raven 2015, S. 148f.). Dieser hier hochabstrakt formulierte Anspruch wird in der Tabelle 1 zur Auswertung der Lesarten, Kontextannahmen und deren Gemeinsamkeiten konkret eingelöst (siehe Kapitel 2.4.9). Zunächst aber zu den einzelnen Lesarten bzw. ‚Geschichten‘.


(Weiter zu: Methodenschritt 1: Gedankenexperimentelle Lesarten in Form von sechs ‚Geschichten‘)