(Davor: Rekonstruktion einer Krise und deren Bewältigung)
Im Kontext von Schule (und deren Vorgaben) mag man zwar die Wendung „Ich kann (…)“ auch als Phrase der Fremdbestimmung vermuten. Denn es gibt eine Menge von Ich-Kann-Formulierungen in Ableitung von Lehrplanvorgaben (was Schüler*innen können sollten) zu bestimmten „Kompetenzbereichen“.
Woher oft unechte ‚Ich-Kann‘-Formulierungen – die eigentlich Vorgaben darstellen – abgeleitet werden, zeigen zwei Beispiele aus dem Lehrplan für Volksschulen (in Österreich):
„Kompetenzbereich Verfassen von Texten: [1. Schulstufe:] Die Schülerinnen und Schüler können [a] ausgehend vom mündlichen Erzählen das Mitteilungsbedürfnis und die Schreibmotivation, bildlich oder schriftlich umsetzen sowie einfache Satzmuster sprachlich angemessen einsetzen; [b] sich für das Planen von Texten beim mündlichen Erzählen verständlich ausdrücken und beim Zuhören Unklarheiten erkennen und bei Bedarf angeleitet berichtigen und ergänzen. [4. Schulstufe:] Die Schülerinnen und Schüler können [a] unterschiedliche Schreibabsichten (erzählen, informieren, notieren, appellieren) nutzen, Texte sinnvoll planen und mit bewusstem Einsatz sprachlicher Mittel und unter Nutzung von unterschiedlichen Informationsquellen verfassen; [b] adressatengerechte Texte unter Einsatz von Überarbeitungsstrategien überprüfen, mit Hilfsmitteln in analoger und digitaler Form berichtigen, besonders gut gelungene Textstellen erkennen und gewonnene Erkenntnisse adaptieren“ (siehe Lehrplan der Volksschule: 4. Schst. VS-LP-PDF-Ausgabe S.59; 1.Schst VS-LP-PDF-Ausgabe, S 56: Abfrage am 2024.02.27 in https://www.ris.bka.gv.at/ Suchbegriff Bildungsstandards, dann Auswahl: Lehrpläne der Volksschule und der Sonderschule).
Doch diese Vermutung, wonach jemandem eine Ich-Aussage (als unechte bzw. ‚standardisierende‘ Ich-Aussage) faktisch unterschoben wäre, müsste in der Folge (also an der fortgesetzten Formulierung) empirisch zu bestätigen oder zu widerlegen sein.
„ICH KANN GUT …“
Die nochmalige Erweiterung der Aussage zu „Ich kann gut (…)“ scheint hier authentisch auf ein Stärkegebiet (oder vertrautes Gebiet) jener Person zu verweisen, die die Aussage macht.
Als Ich-Aussage oder ‚Selbstkundgabe‘ (Schulz von Thun 2000, S. 33f.) scheint sich diese Selbst-Aussage einer Kritik oder Einordnung (von außen und unter vorgefasste, standardisiert bereitstehende Kategorien) allerdings zunächst zu entziehen. Die ‚Sachhaltigkeit‘, wie weit und wie klar dieses Ich zu eigenen Kriterien bezüglich der konkreten ‚Sache‘ und zu seiner subjektiven ‚Wahrheit‘ (Kapitel 1.11.3 und 1.11.4) findet, zeigt sich im weiteren Prozess und seiner Rekonstruktion. Man kann auch sagen, ob die Positionierung zur ‚Sache‘ (also sachlich und authentisch) ‚hält‘, zeigt sich im weiteren Verlauf der Praxis, indem diese sich bewährt, was sich letztlich dem handelnden Subjekt erst in einer darauf bezogenen Reflexion zeigt.
„ICH KANN GUT REITEN“ – Die ‚Selbstkundgabe‘ wird zur Überschrift
Sodann kommt es zur vollständigen Aussage: „ICH KANN GUT REITEN“. Damit scheint der Satz abgeschlossen, obwohl dies nicht durch einen Punkt angezeigt wird. Insofern dieser Satz allerdings in der ersten Zeile dieses querliegenden Blattes – überdies noch mittig – angebracht ist, scheint es sich um eine Überschrift bzw. Themenstellung zu handeln, die keinen Punkt als Abschluss braucht. Vielmehr eröffnet diese Aussage als Überschrift weitere Ausführungen. Von einer Manifestation einer Krise und deren Bewältigung, das heißt Krisenlösung, war die Rede (siehe den Anfang dieses Kapitels 1.9.2). Eine ausgesprochene Ich-Aussage macht einen im Weiteren selbst zum Bürgen oder Beweis dieser Aussage, für die man bei genauerer Betrachtung des kundgetanen Sachverhaltes also ‚gerade stehen‘ muss. Das ‚Weitere‘ dieses Blattes, also das ganze Blatt 01.10.2012, von dem hier nur ein relativ kleiner Abschnitt zunächst als Exempel und sodann als Bildausschnitt oder Bildsegment zur Rekonstruktion gelangt ist, wird in Kapitel 2, insbesondere 2.3 ausführlich rekonstruiert.

Die Aufteilung in Bildausschnitte erscheint hier gerechtfertigt, denn der schriftsprachliche Teil des Blattes konnte für sich gestellt gedeutet werden, er ‚sprach‘ für sich. Überdies hat sich der betrachtete Teil als eigenständiges Segment, bestehend aus Überschrift und Signatur, herausgestellt. Ein Segment, das (auch) als für sich stehende Aussage, die zur Überschrift wird, verstanden werden kann. Die Selbständigkeit dieses Bildausschnittes rechtfertigt bereits ein Zwischenfazit im Hinblick auf die drei Forschungsfragen.
(Weiter zu: Erste Erkenntnissicherung entlang der drei Forschungsfragen)