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These 11 zu Autonomie als Geltungsbedingung von Kunst und Bildung

Die Geltungsbedingung eines Kunstwerks sowie auch einer Manifestation eines Bildungsprozesses – der in Analogie zum Kunstwerk und dessen Autonomie verstanden wird – ist grundsätzlich nicht auf Nachmachen oder Nachlernen angelegt, sondern die Geltung fußt auf einer eigenen Konstruktion und Kreation, die auf der im Inneren aufgebauten Realität der Kunstschaffenden oder der Sich-Bildenden beruht.

Oevermann führt dies in einem Punkt 2 (auch der ist hier auf zwei Zitate aufgeteilt) wie folgt aus:

2. Das Kunstwerk ist insofern auf Autonomie grundsätzlich angelegt, als seine Geltungsbedingungen gerade nicht in der naturalistischen getreuen Protokollierung oder Wiedergabe von ihm selbst externer Realität liegen, sondern in der konsistenten Konstruktion einer ihm vollkommen immanenten fiktionalen Realität. Insofern ist die Kunst der privilegierte Ort des Entwurfs wahrheitsfähiger Utopien (Oevermann 1996, S. v).

Hier wird der Begriff „Autonomie“ als „Geltungsbedingung“ des Kunstwerks eingeführt. Das Kunstwerk sei nämlich „grundsätzlich auf Autonomie angelegt“.

Dies zu verstehen, erscheint zentral, wenn man die Objektive Hermeneutik auf Kunstwerke anwenden will.

„Fiktionale Realität“ – Entwurf „wahrheitsfähiger Utopien“

Beim Kunstwerk geht es demnach „gerade nicht“ um die naturgetreue Abbildung von „externer Realität“, sondern um die „konsistente Konstruktion“ der völlig eigenständigen Innenwelt des Kunstschaffenden („einer vollkommen immanenten fiktionalen Realität“).

Es ist also diese eigenständige bzw. „autonome“, „konsistente“ Selbst- und Welt-„Konstruktion“, die es dem Kunstschaffenden ermöglicht, zum Entwurf wahrheitsfähiger Utopien im „gültigen [d.h. authentischen] Kunstwerk“ zu gelangen.

„Ein methodisch kontrollierter Träumer“

In Oevermanns Fortsetzung von Punkt 2 geht es nun um die sozialwissenschaftliche Erforschung bzw. „Auslegung gültiger Kunstwerke“, und um den „methodisch kontrollierten Träumer“:

Entsprechend kann die Auslegung gültiger Kunstwerke für die empirische Sozialforschung als eine methodische Operation angesehen werden, mit der die Explikation von zukünftigen Trends und vorgeahnter Entwicklung privilegiert möglich wird. Der Künstler als ein methodisch kontrollierter Träumer kann als ein besonders sensibles gesellschaftliches Organ für die frühe Wahrnehmung und Artikulation zukünftiger Konstellationen angesehen werden. Von hier wird verständlich, warum für Adorno wie selbstverständlich die Auslegung von Kunstwerken ein Königsweg der empirischen Sozialforschung war und nicht ein esoterisches Nebengeschäft ‚gebildeter‘ Soziologen (Oevermann 1996, S. v).

Wendet sich nun die Forschung mit „entsprechenden“ Methoden der „Auslegung“, die nachvollziehbar und begründet – also „kontrolliert“ – durchgeführt werden, dem Kunstwerk zu, kann das laut Adorno zum „Königsweg der empirischen Sozialforschung“ geraten.

Denn im Zuge wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Werk des träumenden Künstlers kann das sinnlich wirkende Werk methodisch kontrolliert bzw. wissenschaftlich gedeutet und expliziert werden.