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These 14 zur Rezeption des (Kunst-)Werks in seiner Eigenlogik

Ein Kunstwerk kann bei entsprechender Offenheit in seiner Eigenlogik erkannt werden. Dies gilt ebenso für andere – authentische – Werke einer Lebenspraxis als Ausdrucksgestalten neuer Erfahrung.

Oevermann drückt das, bezogen auf Kunstwerke, folgendermaßen aus:

Autonomie des Kunstwerks heißt nun aber wesentlich auch, […] dass der künstlerische Text in Gestalt des Werkes als sinnliche Verkörperung einer sinnlichen Erkenntnis des Künstlers eine zwingende eigenlogische Wirkung für jeden entfaltet, der im Rezeptions-Akt seine Sinne genügend öffnet, sich also für die lebendige Erfahrung, die im Kunstwerk sich verkörpert, bereit macht. Insofern ist dem gültigen Kunstwerk die gültige Weise seiner Rezeption schon immer eingeschrieben und methodisch gesehen als eine Funktion der objektiven Bedeutungsstruktur des Werkes zu explizieren. Die empirisch-konkreten, je subjektiv spezifischen Rezeptionsweisen sind von diesem werkimmanent vorgegebenen, gleichwohl empirisch überprüfbaren Modell der angemessenen Rezeption jeweils mehr oder weniger stark abweichende Varianten (Oevermann 1996, S. vi-vii).

Während bislang das Kunstwerk selbst im Vordergrund stand, rückt nun seine Rezeption ins Zentrum. Die „sinnliche Verkörperung sinnlicher Erkenntnis“ verhelfe dem Kunstwerk zu seiner „eigenlogischen Wirkung“. Dies ermögliche bzw. „erzwinge“ letztlich eine „werkimmanente Rezeption“, und davon lediglich „mehr oder weniger stark abweichende[n] Varianten“ dieser dem Werk „eingeschriebenen“ Rezeption.

Aus diesen Ausführungen kann man zwei weitreichende und vielleicht auch provokant klingende Aussagen herausarbeiten. Zum einen wird auf die eigenlogische Wirkung, man könnte auch vereinfacht Botschaft sagen, hingewiesen, und zum anderen darauf, dass diese als solche rezipierbar sei, was (ein wenig) relativiert wird durch den Hinweis auf „Varianten“, die bedingt seien durch je „subjektive Rezeptionsweisen“.

In Analogie zur Autonomie des Kunstwerks, die sich in Form einer eigenlogischen Wirkung auch auf die Werkrezeption erstreckt, bedeutet das für die Rezeption von Manifestationen von (autonomer) Bildung (siehe die Unterscheidung zu Lernen in Kapitel 1.11.1.1), dass auch diese in ihrer eigenlogischen Wirkung zu verstehen sind.