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Die ‚Autonomie‘ der Lebenspraxis konstituiert sich in ‚Krisen‘ (6.7)

(Davor: Eine ‚eigenlogische Realitätsebene‘: ‚Objektive Sinnstrukturen‘ (6.6))


Die Handlungsdynamik von Lebenspraxis bringt es mit sich, dass in der jeweiligen Handlungsvollzugssituation keine umfassende rationale Prüfung der vorliegenden (Handlungs-)Optionen durchgeführt werden kann, und dessen ungeachtet aber eine Entscheidung getroffen werden muss, die grundsätzlich vom Subjekt dieser Lebenspraxis selbst zu verantworten ist, was jedoch nur reflexiv – also im Nachhinein möglich – ist. Genau darin besteht paradoxer Weise die Autonomie der Lebenspraxis.

Die Autonomie der Lebenspraxis (hier synonym für Subjekt) konstituiert sich also, indem die Lebenspraxis im Lauf ihres Lebens und dessen Handlungsdrucks immer wieder in Situationen gerät (Situation wird hier synonym für Praxiszeit und Praxisraum verwendet), in denen die bislang bewährten Erfahrungen sowie das verfügbare Wissen zur Bewältigung dieser neuen Situationen nicht reichen: Indem die (vom jeweiligen Subjekt) bisher praktizierte Routine scheitert, wird die Krise deutlich. Zur Bewältigung der krisenhaften Situation müssen Entscheidungen getroffen werden, auch wenn diese nicht in allen Handlungsmöglichkeiten rational geprüft werden können, das würde den Fluss der Praxis zum Stocken oder Erliegen bringen. Die Krise erfordert somit in der Gegenwärtigkeit der Praxis (im Jetzt) Entscheidungen. Genau darin, dass die Lebenspraxis (riskante) Entscheidungen in eine ungewisse Zukunft trifft und vollzieht, deren Folgen erst später reflektiert, begründet und verantwortet werden können (und müssen), konstituiert sich die Autonomie der Lebenspraxis.


(Weiter zu: Lebenspraxis als ‚Einheit des Lebendigen‘ (6.7.1))