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Ein ‚konstitutionstheoretisches‘ (kein praktisches) Modell (6.7.6)

(Davor: Autonomie: ‚Deskriptiv-analytisch‘ und ‚normativ-wertend‘ (6.7.5))


Beim hier referierten Modell der Lebenspraxis und seiner Autonomie handelt es sich um ein konstitutionstheoretisches Modell, das hier für Zwecke und aus der Perspektive der wissenschaftlichen Analyse bzw. der wissenschaftlichen Rekonstruktion aufgebaut wird. Das zu betonen ist wichtig, denn im Handlungsdruck der Praxis stellt sich das umgekehrt dar, da zählen vor allem bewährte Routinen, die nur unter konstitutionstheoretischen und sequenzanalytischen Gesichtspunkten auf Krisen zurückgeführt werden. Zur Perspektive der Praxis kann somit festgehalten werden:

In der Praxis bemerken wir diese krisenhafte Entscheidungsstruktur nur in seltenen Fällen, weil wir in der Regel die Entscheidung schon immer durch eingespielte Routinen vorweg getroffen haben. Aber diese Routinen sind ursprünglich einmal entwickelt worden als Lösungen einer Krise, die sich bewährt haben und im Bewährungsprozeß sich zu Routinen veralltäglichten. Nur im praktischen Grenzfall, wenn Überzeugungen und Routinen überraschend scheitern, oder wenn von vornherein etwas Neues gesucht werden muß, wenn also eine Krise manifest vorliegt, wird uns die Entscheidungssituation und -ungewißheit als solche bewußt (Oevermann 2002, S. 10).

Aus der praktischen Handlungsperspektive stellen sich Entscheidungen in ihrer zukunftsoffenen Ungewissheit insofern nicht, als sie durch „eingespielte Routinen vorweg getroffen“ sind. Aus dieser praktischen Perspektive wird auch nicht bewusst, dass Routinen „als Lösung einer Krise“ und aus einen „Bewährungsprozess“ hervorgegangen sind.


(Weiter zu: In der ‚Praxis‘ ist ‚Routine‘ gefragt und die ‚Krise‘ ein ‚Grenzfall‘ (6.7.7))