(Davor: ‚Bildung‘ als Krisen- und Selbsterfahrung des Subjekts (6.8.2))
Forschen, als Tätigkeit eines Subjektes, das dabei sowohl selbst in die Krise gelangt, als auch der Prozess des Forschens wird als Simulieren von Krisen aufgefasst. Der Hauptseite nach ist es demzufolge der Sphäre der Krise zuzurechnen, auch wenn das Ergebnis von Forschung dann bewährtes Wissen ergibt, das der Sphäre der Routine zuzurechnen ist.
Forschen bedeutet das Simulieren von Krisen. Es ist deshalb das Gegenteil von Routine, obwohl dazu gehört, daß die hartnäckige Verfolgung von Problemstellungen es erforderlich macht, lange Durststrecken routinisierter Operationen in der Datenerhebung und -auswertung auf sich zu nehmen (Oevermann 2016, S. 112).
Beim forschenden „Simulieren von Krisen“ trifft zu, dass der Ausgang eines wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses grundsätzlich offen, also der Sphäre der Krise zugehörend, zu sehen ist. Und natürlich muss es auch „ein Zentrum von Krisenfähigkeit und der Krisenbewältigung“ (ebd. S. 63) geben, nämlich eine entsprechende Lebenspraxis als Trägerin dieser Krisen im Wissenschaftsprozess. In der Forschungspraxis hat demnach das Subjekt (die Lebenspraxis, sie kann auch aus großen Teams bestehen) immer wieder Entscheidungen zu treffen, die zunächst viele Unwägbarkeiten enthalten, die erst im weiteren Prozess reflexiv überprüft werden. Insofern versteht sich die Methodik der Objektiven Hermeneutik ausdrücklich nicht als technisches Verfahren, sondern als ein von Menschen und deren Gemeinschaften zu verantwortendes konkretes, nachvollziehbares, seine Grundlagen offenlegendes Verfahren, das letztlich Neues hervorbringt. Allerdings, wenn Forschen vom Zweck bzw. vom Ergebnis her betrachtet wird, rückt das gesicherte und geprüfte Wissen in den Vordergrund. Zu Forschen als Krisenerzeugung und Krisenbewährung bzw. Krisenbewältigung gehört auch die Einbindung in und Anbindung an bestehende Theorien und Forschungsansätze, unter Bezug auf diese kommt der Forschung und Wissenschaft insgesamt ein besonders hoher Grad an Reflexivität zu.
(Weiter zu: ‚Krisentypen‘ (6.8.4))