Fallrekonstruktion.net

15 Thesen (Teil 1)

(Davor: Die Krise ist (analytisch betrachtet) der Normalfall)


Um zügig zur Sache zu kommen, wird zuerst in vier Eröffnungsthesen die Möglichkeits- und Problemkonstellation bezüglich brach liegender autonomer Bildungsprozesse von Kindern erfasst. Dann folgen Thesen zu den methodologischen und konstitutionstheoretischen Grundlagen der Objektiven Hermeneutik, mit der in dieser Studie auf Problemstellungen im Bildungsbereich zugegriffen wird. Schließlich folgen Thesen zu einem Modell, das auf Oevermanns Ästhetiktheorie basiert und eine strukturelle Analogie zwischen autonomen Bildungsprozessen und dem autonomen Schaffen von Künstler*innen herstellt.

Eröffnungsthese (These 1 )

Als Eröffnungsthese wird in These 1 die Möglichkeitskonstellation vorgestellt, wonach Kinder ihre autonomen Bildungsprozesse zur Darstellung bringen können. Die Problemkonstellation wird darin gesehen, dass die Möglichkeiten weitgehend brach liegen, also ungenutzt bleiben.

Drei Thesen zu Herausforderungen dieser Konstellation (Thesen 2, 3 und 4)

In drei weiteren Thesen (2, 3 und 4) werden Aspekte und Herausforderungen dieser Konstellation aufgezeigt. In These 2 wird die im Schulwesen gängige Vorgaben- und Kontrollpraxis in der seit 25 Jahren forcierten Form der Bildungsstandards als ein maßgeblicher Grund angeführt, durch den der Zugang zu den Ressourcen autonomer Bildung erschwert wird. In These 3 wird beleuchtet, dass bereits entstandene Initiativen zu Lösungsansätzen zur skizzierten Problemkonstellation immer wieder unterzugehen drohen. Und schließlich wird in These 4 die weitreichende Relevanz der postulierten Möglichkeits- und Problemkonstellation hervorgestrichen, insbesondere für Sich-Bildende, aber auch für die pädagogischen Professionen sowie für das Bildungswesen und schließlich das Verständnis von Bildung als Ressource in allen Bereichen der Gesellschaft.

Vier Thesen zum wissenschaftlichen Zugriff

In den Thesen 5 bis 8 wird der wissenschaftliche Zugriff auf die postulierte Möglichkeits- und Problemkonstellation thematisiert. In These 5 wird allgemein die Angemessenheit der Objektiven Hermeneutik für den untersuchten Gegenstandsbereich behauptet. In These 6 wird vor allem der bereits in Anwendung genommene Begriff der Autonomie der Lebenspraxis im Paradigma von ‚Krise‘ und ‚Routine‘ nun bildungstheoretisch und methodologisch erfasst. In These 7 wird die unmittelbare Präsenz der Lebenspraxis im Unterschied zum distanzierten Bezug der Wissenschaft auf zeitlos gestellte Protokolle hervorgehoben. In These 8 werden die drei Modi des Fallverstehens skizziert, die auf ihre jeweilige Art zur Lösung des Autonomie-Dilemmas beitragen können. Dabei wird postuliert, dass autonome Handlungen, die ja in eine offene Zukunft gesetzt werden, gleichzeitig eine nachträgliche Begründung erheischen. Erst durch das Einlösen dieser Begründungsverpflichtung unterscheidet sich Autonomie von Beliebigkeit. Das verleiht auch dem jeweiligen Modus des Fallverstehens seine Brisanz in der je eigenen autonomen Verantwortung.

EXKURS 1: Künstlerisches Schaffen als Strukturmodell für Bildungsprozesse

Ab These 9 wird Ulrich Oevermanns Denkansatz zu Kunstwerken und künstlerischem Schaffen ausführlich in Form von EXKURS 1 aufgegriffen: Das dabei entstehende Strukturmodell für Bildungsprozesse und das Verstehen der Symbolwelt von Kindern wird nicht nur zu einer wichtigen Grundlage für die Studie, sondern auch durch die Zuspitzung in weiteren Thesen für die Kritik zugänglich sowie zur Überprüfung im Rahmen dieser Studie aufbereitet (siehe auch Abbildung 7 in These 15).

Der EXKURS 1 enthält folgende sechs Thesen: