(Davor: Blatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘)
Dieses Blatt ist etwas weiter unten zur Gänze abgebildet. Hier wird ‚nur‘ ein Bildausschnitt aus diesem Blatt zur Rekonstruktion der Darstellung von Kooperation gezeigt (Abb. 26: Bildausschnitt ‚Vier Referentinnen‘ aus Blatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘).

Das Thema Kooperation wurde bereits im Passus zu Blatt 22.1.2014: ‚Lui‘ kritisch – im Sinne womöglich einseitiger Anpassung der Schülerin an Anforderungen der Schule und der Lehrpersonen – angesprochen, sodann wurde aber auf die genaueren Ausführungen in diesem Kapitel verwiesen. Dieses Blatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘ gehört zu jenen (zwei, das andere ist das ‚frühe‘ Blatt 01.10.2012: Reiten) Reflexionsblättern, die mir als Forscher – neben den von Maria T. präsentierten Blättern – so wichtig erschienen sind, dass ich bat, einen Schnappschuss in die Mappe auf dieses (von Maria T. nicht präsentierte) Blatt machen zu dürfen.
Die Pose der ‚vier Referentinnen‘
Vier Personen stehen in entsprechender Pose neben einer riesigen, anscheinend selbst angefertigten Darstellung eines Dromedars (siehe Abb. 27).

Man kann von einer Pose sprechen, die die vier Mädchen konzentriert und angespannt zeigt: Die vier Referentinnen warten entweder auf ihren Beitrag zur Präsentation oder sie warten nach getaner Arbeit auf ihren Applaus oder ihre Resonanz vom Publikum. Jedes der Mädchen dürfte gut vorbereitet sein, denn jede hält einen Zettel mit Notizen in der Hand, wie in Abbildung 26 vergrößert besser zu erkennen ist. Die dargestellte Pose bringt die Vorstellung einer sechsjährigen Schülerin von Kooperation – verstanden als: Handeln, das zu einem bestimmten Zweck ausdrücklich konzertiert ist und vom jeweiligen Subjekt mitgetragen wird – zur Darstellung.
Die ausdrückliche Abbildung eines beschriebenen Blattes in einer Hand jedes der Mädchen mag überdies veranschaulichen, wie wichtig in der (reflexiven) Darstellung einer kooperierenden Gruppe, die etwas präsentiert, die schriftliche Vorbereitung nach einem arbeitsteiligen Plan ist. Dies unterstreicht das Bewusst-Werden der immensen Bedeutung von Schriftsprache, wie im Exkurs 4 ausgeführt (Kapitel 5.1). Das also scheint der Autorin bei der Gestaltung dieses Reflexionsblattes bewusst zu werden. Dies ist mein Eindruck, ausgewiesen als Lesart, mit der eine weitere Klärung allgemeiner Aspekte von Posen an diesem (konkreten) Reflexionsblatt eingeleitet wird.
Der Eindruck ‚deutlicher Mehrdeutigkeit‘
Im aktuellen Blatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘, soll nun dem Eindruck ‚deutlicher Mehrdeutigkeit‘, anhand der Pose der kooperierenden ‚Vier Referentinnen‘ (Abb. 26) weiter auf den Grund gegangen werden:
- So, wie die vier Personen gezeichnet sind, drückt ihre Körperhaltung – deutlich – aufeinander abgestimmtes Handeln aus, was man als ‚Kooperieren‘, Zusammenwirken, Zusammenarbeiten oder auch Im-Gleichklang-Sein bezeichnen kann.
- Man kann aber auch eine Überzeichnung – deutlich – erkennen. Diese Pose mag an Musikerinnen, die ihre Instrumente (zum Beispiel Violinen im Rahmen eines großen Orchesterkonzerts) exakt abgestimmt synchron bedienen, erinnern. Allerdings sind die vier Personen im Bild merkwürdig steif oder starr oder in der Rolle fixiert dargestellt.
- Der Ausschnitt kann – bezogen auf das ganze Blatt 6.5.2013: ‚Dromeda‘ (siehe Abb. 27 weiter oben sowie Abb. 34 im Bildanhang) – im Übrigen als Bild im Bild angesehen werden, und daher auch als ‚für sich sprechendes‘ Bild betrachtet und als solches analysiert werden.
- Eine überzeichnete Kooperation findet sich in folgenden gleichartigen Details:
- Jedes der Mädchen hält (wie bereits erwähnt) einen Zettel in der Hand oder der Faust.
- Alle haben die Augenlider niedergeschlagen.
- Sie sind fast unmerklich einander zugewandt, obwohl (oder indem) sie sich auch einem Publikum präsentieren.
- Die Personen sind zwar deutlich zu unterscheiden, etwa durch markant unterschiedliche Körperstatur (dick, dünn, größer, kleiner usw.). Trotzdem ist es offensichtlich notwendig, bei allen Gestalten dieNamen dazuzuschreiben, um sie sicher identifizieren zu können.
- Dies führt – allerdings nur bezüglich der Namen – zur Aufhebung der Mehrdeutigkeit dieser Zeichnung. Diese Mehrdeutigkeit wurde anscheinend beim Zeichnen bewusst (Abb. 26):
- Beispielsweise geht aus der Darstellung nicht hervor, wann genau diese Darstellung zutrifft, also ob der gezeichnet ‚festgehaltene‘ Moment am Anfang, in der Mitte, oder am Ende der Präsentation war.
- Erst die schriftsprachliche Feststellung: „Ich Bin Stolz Das die Presentazio[n] So toll war.“ schafft größere Klarheit. Es müsste demnach am Ende der Präsentation gewesen sein, als die Resonanz bei den vier Referentinnen gerade angekommen ist, aber sie noch nicht entspannt waren. Dies ist aus dem Tempus des Verbs „war“ herauszulesen.
Dieses letzte Argument (zur Beschriftung und zum hohen Grad der Selbstreferenzialität von Schriftsprache) mag nun wieder an den Exkurs 4 (Kapitel 5.1) und die dort hervorgehobene herausragende Bedeutung der Schriftsprache im Erkenntnisprozesserinnern, und zwar im Unterschied zur ‚bloß‘ sinnlichen Kraft, aber oft unvermeidlich mehrdeutigen ‚Aussage‘, die der Bildepistemik eigen ist (siehe Exkurs 2 bzw. Kapitel 2.3.6).
(Weiter zu: Mehrdeutige Bilder und Posen – Eindeutige Das-ist-Benennungen)